Vorlage zur Beschlussfassung
Für die Gemeindevertretung Stahnsdorf
Drucksache 19/088, 3. Änderung
Fraktion Grüne/B 90, Die Linke
Betreff Klimakrise
Stand 20.11.19
Beschlussvorschlag:
1.Die Gemeinde Stahnsdorf erkennt eine Klimakrise für das Gemeindegebiet und sieht deren Eindämmung als Aufgabe von höchster Priorität an.
2.Bei allen künftigen Entscheidungen der Gemeindevertretung(außer Haushaltssatzung) wird durch die Verwaltung oder von ihr beauftragte Drittederen Auswirkung auf die Klimabilanz der Gemeinde im Vorfeld der Beschlussfassung geprüft. Dazu wird der Vorlage ein Kästchen beigefügt mit den Auswahlmöglichkeiten „positiv“, „negativ“ oder „neutral“.
3.Die Verwaltung hat dafür zu sorgen, dass die Voraussetzungen für eine Prüfung nach 2. geschaffen werden. Beschlüsse, die gefasst werden, ohne dass eine Prüfung erfolgen konnte, werden im Nachgang bewertet.
4.Beschlussvorlagen, die die Einschätzung „negativ“ erhalten, müssen einer Überprüfung unterzogen werden, wie eine Veränderung der Klimabilanz wenigstens bis zu einem neutralen Wert erreicht werden kann. Gelingt dies nicht, so sind aus dem Klimaschutzkonzept Maßnahmen abzuleiten, die zumindest eine Annäherung an den Neutralwert ermöglichen. Das Gleiche gilt für Beschlüsse, die durch Verzögerungen aus Punkt 3. resultieren und die im Nachgang eine Negativbewertung bekommen.
5.Die Verwaltung wird dazu aufgefordert, jährlich einen Stand zur Abarbeitung der Klimaziele(Klimaschutzkonzept) der Gemeindevertretung vorzulegen.
6.Die Gemeindevertretung soll sich auch in den gemeindlichen Gesellschaften und Zweckverbänden für Maßnahmen einsetzen, die zur Einhaltung der Klimaziele aus dem Klimaschutzkonzept beitragen.
7.Die Vorgehensweise in den Punkten 2.-4. Soll nach 1,5 Jahren Anwendung einer Evaluierung unterzogen werden.
Begründung
Vom Anbeginn der Menschheit bis zum Beginn der industriellen Revolution betrug dieCO2-Konzentration in der Erdatmosphäre nie mehr als 275ppm(Anzahl der CO2-Teilchen pro Million Luftteilchen). Bei dieser Zahl hat sich die menschliche Zivilisationentwickelt. Im Jahr 2013 wurde erstmals in der menschlichen Geschichte die 400ppm-Marke überschritten. Jährlich kommen derzeit 2ppm dazu. 350ppm CO2 wirdvon anerkannten Klimaforschern jedoch als ‚sichere Obergrenze‘ für ein dauerhaftes Leben auf unserem Planeten betrachtet. Es gilt also, in den nächsten Jahren zügig auf einen Senkungspfad zu kommen, der dieses Ziel anstrebt. Nur so lässt sich vermeiden, dass bei weiteren Steigerungen ggf. Kipppunkte erreicht werden, wo z.B. durch das Freisetzen von Methan aus Speichern am Meeresgrund die Klimaerwärmung unumkehrbar würde.
Die Fridays-for-Future-Bewegung hat in Anbetracht dieser Zahlen eine Resolution zum Klimanotstand verfasst, der die Stadt Konstanz(siehe Anlage) in weiten Teilen als erste Kommune in Deutschland beigetreten ist. Stahnsdorf soll diesen Gedanken aufgreifen und ebenso Maßnahmen ergreifen, die durch mehr Grün und bessere Bedingungen für Rad- und ÖPN-Verkehr die Gemeinde lebenswerter machen. Da der Notstandsbegriff diesseits als irreführend angesehen wird, wollen wir den Begriff Klimakrise verwenden, der inhaltlich die gleiche Zielrichtung hat.
Die Ausarbeitung eines Klimaschutzkonzeptes in Stahnsdorf versetzt auch unsere Gemeinde in die Lage, zur Klimasituation und zum CO2-Ausstoß künftig genauer Aussagen treffen zu können. Dieser Ansatz soll genutzt werden, um auch dauerhaft die CO2-Bilanz der gemeindlichen Beschlüsse zu hinterfragen mit dem Ziel, schrittweise einen Beitrag zur Senkung von CO2-Emissionen aus Stahnsdorf heraus zu erreichen.
Überdies soll dieser Beschluss auch ein Anstoß sein, damit sich weitere Kommunen diesem Ansatz anschließen. Insofern kann die Wirkung dieses Ansatzes vervielfacht werden. Schließlich zeigt auch die Vorbildfunktion unserer vergleichsweise kleinen Gemeinde, dass es möglich ist, Klimaschutz und prosperierende Gemeinde –entwicklung gemeinsam zu schaffen. Die Devise heißt: Das Klima gemeinsam mit der Wirtschaft und der Bevölkerung zu schützen.
Es ist uns bewusst, dass diese Herangehensweise neu ist für die Verwaltung und dass es einen Übergangszeitraum geben wird, bis ein reibungsarmes Wirken im Sinne der Klimaneutralität erreicht ist. Zudem soll die Haushaltssatzung aus dieser Prüfung herausgenommen werden, weil sie auch Beschlüsse aus der Vergangenheit untersetzt. Ein Negativwert in der Bewertung bei der Haushaltsplanung würde bereitsangeschobene Projekte gefährden, was im Sinne der Nachhaltigkeit nicht sinnvoll ist.
Fin. Auswirkungen: zunächst nein; bei Auslaufen der Förderung jedoch Stundenanteilfür Klimaschutzbeauftragten einplanen.
Anlagen
Resolution der Fridays-for-future-Bewegung mit Änderungen/Ergänzungen der Stadt Konstanz:
Diese Zahl sollten wir kennen
Prof. James E. Hansen ist einer der anerkanntesten Klimatologen der Welt und war bis 2013 Leiter des NASA Goddard Institute for Space Studies. Heute lehrt er an der Columbia Universität in New York City. Wenn er sagt, dass der Klimawandel mit der menschlichen Zivilisation inkompatibel ist, dann, so glauben wir, sollte die Menschheit zuhören.
“PPM” steht für “parts per million” also “Teilchen pro Million” und beschreibt das Verhältnis von z.B. CO2-Molekülen zu den übrigen Molekülen in der Erdatmosphäre. Ein CO2- Gehalt von 350 ppm bedeutet also, dass von 1 Million Molekülen 350 CO2-Moleküle sind.
Viele Wissenschaftler, Klimaexperten und progressive nationale Regierungen stimmen Prof. Hansen zu, dass 350 ppm die maximal noch ‘sichere’ CO2- Obergrenze für das Leben auf der Erde ist.
Vom Anbeginn der Menschheit bis zum Beginn der industriellen Revolution vor etwa 200 Jahren betrug die CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre nie mehr als 275 ppm. Das prägte den Planeten Erde, “auf dem sich unsere Zivilisation entwickelte und an den das Leben auf der Erde angepasst ist”.
Anfang des 18. Jahrhunderts haben wir Menschen aber damit begonnen Kohle, Erdgas, und Erdöl zu verbrennen um Energie zu erzeugen, Waren zu produzieren und Lebensmittel anzubauen. Seitdem steigt die CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre kontinuierlich an – erst langsam, nun immer schneller. Viele unserer alltäglichen Tätigkeiten, wie z.B. ein Licht anzuschalten, zu kochen, zu heizen und auch die Art wie wir uns fortbewegen, sind heute von Energiequellen wie Kohle und Erdöl abhängig. Bei deren Nutzung werden CO2 und andere Treibhausgase in die Atmosphäre freigesetzt. Dabei verbrennen wir Kohlenstoff, der seit Millionen von Jahren unter der Erde gespeichert wurde und stoßen ihn innerhalb weniger Jahrzehnte in die Erdatmosphäre aus.
Im Jahr 2013 haben wir, erstmal in der Geschichte der Menschheit die 400 ppm Marke überschritten und jedes Jahr kommen rund 2 ppm hinzu. Tendenz steigend. Wenn wir es nicht schaffen, das in den nächsten Jahren zu ändern und noch in diesem Jahrhundert auf unter 350 ppm zurückzukehren, riskieren wir Kipppunkte zu erreichen, deren Folgen unumkehrbar wären. Das könnte den weiteren Klimawandel schon in den nächsten Jahrzehnten jeder menschlichen Kontrolle entziehen.
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts haben wir eine Erwärmung der Erd-Durchschnittstemperatur um etwa 1° Celsius erlebt und die Auswirkungen sind schon jetzt erschreckend. Bis Ende dieses Jahrhunderts könnten es 4-6°C mehr werden.
Überall schmelzen Gletscher mit beängstigender Geschwindigkeit; Gletscher, deren Schmelzwasser hunderten von Millionen Menschen Trinkwasser bietet. Moskitos, die ein wärmeres Klima bevorzugen, breiten sich immer weiter aus und bringen Krankheiten wie Malaria und das Dengue-Fieber mit sich. Auch Dürren werden immer häufiger, wodurch an vielen Orten der Anbau von Nahrungsmitteln stark erschwert wird. Der Meeresspiegel steigt und Wissenschaftler warnen, dass er noch in diesem Jahrhundert mehrere Meter ansteigen könnte. Sollte dies geschehen, würden weltweit viele Städte, Inselstaaten und auch Ackerland im Wasser versinken. Gleichzeitig übersäuern die Ozeane, da sie einer der Hauptspeicher für CO2 (Kohlensäure) sind. Tiere wie Korallen und Muscheln können dadurch ihre Skelette oder Muschelschalen verlieren. Überall auf der Welt erleben wir immer öfter solche Wetterextreme. Hurrikane, Taifune, Stürme und Dürren verschärfen heute schon Konflikte und Sicherheitsprobleme in vielen Regionen. Und im Laufe der nächsten Jahrzehnte könnte aber auch Mitteleuropa von u.a. extremer Trockenheit betroffen sein.
Die Arktis zeigt uns wahrscheinlich am deutlichsten, dass die Auswirkungen des globalen Klimawandels sehr viel schneller voranschreiten, als Wissenschaftler bisher angenommen hatten. Im Sommer 2012 verschwand etwa die Hälfte des gesamten arktischen Meereises (und einige Wissenschaftler schätzen, dass der komplette Volumenverlust des Sommermeereises sogar bei etwa 80% liegt). Die ganze Arktisregion wird von einschneidenden Veränderungen heimgesucht, die die Lebensräume zahlreicher Pflanzen- und Tierarten (ja, auch der Eisbär ist betroffen) und die Lebensgrundlage vieler indigener Stämme bedrohen. Sie bringen die Welt auch näher an gefährliche Schwellenereignisse, wie das Schmelzen des grönländischen Eisschildes und den Ausstoß großer Mengen Methans durch Abschmelzen der Permafrostböden.
Das sind die wissenschaftlichen Hintergründe des Klimawandels. Obwohl viele der Einzelheiten noch untersucht werden, wird eines nicht mehr diskutiert: Unser Klima ändert sich tiefgreifend und schnell und menschliche Handlungen sind die Ursache dafür.